
Faustball bei den World Games – das passt seit 40 Jahren hervorragend zusammen. Bei der zweiten Auflage des Multisportevents überhaupt wurde in London zum ersten Mal auch ein Wettbewerb der Faustball-Männer ausgetragen. Vier Nationen nahmen damals teil, den ersten Titel gewann Deutschland. Udo Mehle, Angreifer vom TSV Bayer 04 Leverkusen, schrieb mit dem Titelgewinn Geschichte.
Regen. Das ist das erste, das Udo Mehle in den Sinn kommt, wenn er an die World Games im August 1985 zurückdenkt. Zum ersten Mal überhaupt durften sich die Faustballer beim Multisportevent der nichtolympischen Sportarten präsentieren – und das bei äußerst widrigen Bedingungen. „Es hat während des Faustballwettbewerbs eigentlich die ganze Zeit geregnet“, erinnert er sich. Doch auch wenn das Wetter bei der Premiere nicht mitspielte: Es sind viele andere Momente, die Udo Mehle in Erinnerung geblieben sind und die Tage in London zu etwas ganz Besonderem machen.
Vier Faustball-Teams in London
Deutschland, Österreich, die Schweiz und Brasilien. Diese vier Nationen waren es, die in London antraten. Auch Südwestafrika (Namibia) hatte für London gemeldet, erhielt aufgrund der politischen Verhältnisse im Süden Afrikas keine Einreise. Somit war es zunächst eine Hin- und Rückrunde, die die vier Nationen an zwei Tagen bestritten, um die Halbfinalpaarungen zu ermitteln. Das deutsche Team startete dabei hochmotiviert in das Turnier. Ziel war es, nicht nur den ersten World Games-Titel zu gewinnen, sondern auch den verpassten Europameistertitel ein Jahr zuvor vergessen zu machen. Schließlich hatte man sich hier gegen Österreich zum ersten Mal geschlagen geben müssen. „Nach dem Weltmeistertitel 1982 in Hannover hatte es einen kleinen Umbruch im Team gegeben, der damals noch nicht ganz abgeschlossen war“, erinnert sich Udo Mehle.
Er schaffte in dieser Zeit, den Sprung ins Nationalteam. Dass das überhaupt möglich sein könnte, hatte er sich als Jugendspieler nicht erträumen lassen. Mit acht Jahren begann er mit dem Faustball im Verein, spielte bis er 17 war in Köln. „Dann hat sich das Team aufgelöst“, erzählt Mehle. Er wechselte nach Leverkusen, zu einem Bundesligisten – bei dem plötzlich ganz andere Anforderungen zählen. „Mit meiner schlechten Technik wurde ich bei Übungen immer als schlechtes Beispiel gezeigt“, lacht er. Dem jungen Angreifer ist das aber egal. Er arbeitet an sich, hat mit Udo Cymera einen Förderer. „Ohne ihn wäre ich wohl nie Nationalspieler geworden“, sagt Mehle.
Souverän in Vorrunde und Halbfinale
1985 gab es für Udo Mehle und seine Teamkollegen – die große Chance, bei den World Games dabei zu sein. „Es war schon etwas Besonderes, bei dem man unbedingt dabei sein wollte“, sagt der ehemalige Nationalangreifer. Im Barnet Copthall-Stadion, gemeinsam mit den Wettbewerben im Tauziehen, gingen die Faustballbegegnungen über die Bühne. Während die drei europäischen Vertreter in Bestbesetzung antraten, war aus Brasilien eine Mannschaft mit vielversprechenden Talenten angereist, die gegen die erfahrene Konkurrenz aber kaum eine Chance hatte. Udo Mehle übernahm in den Begegnungen die Position vorne Rechts – an der Seite vom deutschen Rekordnationalspieler Dieter Thomas. „Meine Aufgabe war es, die kurzen Bälle zu holen und da zu sein, wenn Dieter aus dem Spiel war, den Rückschlag zu übernehmen – auch wenn ich 28 Minuten keinen Ball geschlagen hatte.“
Deutschland sicherte sich in Hin- und Rückspiel den Gruppensieg vor den punktgleichen Österreichern und hatte somit im Halbfinale gegen die Selecao leichtes Spiel (39:23). „Die Brasilianer sind damals mit Werbung auf den Trikots angereist. Das haben die Regeln der World Games aber nicht zugelassen. Deshalb mussten sie mit umgedrehten Trikots spielen“, erzählt Mehle.
Starke Regenfälle am Finaltag
Es ist nicht die einzige kuriose Geschichte. Auch die Tauzieher sorgen für eine – im Zusammenspiel mit den regnerischen Bedingungen. „Sie haben ihre Endrunde direkt neben unserem Faustballfeld bestritten und sich mit ihren Hacken bis in die Drainage gearbeitet. Es sah eher nach einem Spargelfeld aus als nach einem Rasenplatz“, lacht Mehle. Die widrigen Bedingungen machten auch den Faustballern zu schaffen. Das Spiel um Platz drei zwischen der Schweiz und Brasilien wurde wegen der starken Regenfälle abgesagt, beide Nationen erhielten die Bronzemedaille. Das Endspiel zwischen Deutschland und Österreich ging dagegen über die Bühne. Zweimal 15 Minuten standen auf dem Programm, in denen sich das deutsche Team nach einer ausgeglichenen ersten Halbzeit (17:14) in der zweiten entscheidend absetzte (37:29).
Auch wenn es kein Athleten-Dorf gab, fühlte es sich für die deutschen Faustballer ein wenig an, wie bei Olympischen Spielen dabei zu sein. „Die Faustballwettbewerbe lagen mitten in den World Games, deshalb haben wir auch nicht an der Eröffnungs- oder Schlussfeier teilgenommen“, so Mehle. Auch, um sich andere Sportarten anzuschauen, war keine Zeit. „Es war trotzdem ein besonderes Flair, eine besondere Stimmung. Das lag auch daran, dass der Zusammenhalt in der Mannschaft super war.“
Die World Games in London sollen nicht die einzige für Udo Mehle sein. Auch 1989 schaffte er es für die Titelkämpfe in Karlsruhe in den Kader, verteidigte vor teilweise 5.000 Zuschauern den Titel. 1997 in Lathi (Finnland) und 2009 (Taiwan) war er zudem als Internationale Schiedsrichter dabei, die World Games 2005 in Duisburg verfolgte er als Zuschauer von der Tribüne.
Endstand World Games 1985:
1. Deutschland, 2. Österreich, 3. Schweiz & Brasilien
Originaltext: Faustball Deutschland zu den World Games 2022 (Autor: Sönke Spille)